Ein Arbeitsalltag ohne klassische personenbetriebene Flurförderfahrzeuge in der Logistik – unvorstellbar! Die Maschinen nehmen Lasten auf oder setzen sie ab, stapeln, ziehen, schieben… und sie sind verhältnismäßig oft in Unfälle verwickelt. Fahrerlose Transportsysteme – auch FTS genannt – gewinnen im Zuge der Digitalisierung und Logistik 4.0 immer mehr an Bedeutung. Und das ist kein Wunder: Nie war der Bedarf an flexiblen und autonomen Systemen so hoch wie heute. Hat es sich ausgestapelt?
Woraus fahrerlose Transportsysteme bestehen
Fahrerlose Transportsysteme (FTS) ermöglichen eine barrierefreie Vernetzung unterschiedlicher Lager- und Arbeitsbereiche, wobei die automatisierte Gestaltung von Materialflüssen die primäre Aufgabe darstellt. Ein FTS setzt sich aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammen, wobei der wichtigste Bestandteil das fahrerlose Transportfahrzeug (FTF) ist. Charakteristisch für das FTS ist, dass die Fahrzeuge ohne die Einwirkung von Menschen geführt werden. Datenübertragungssysteme stellen das informationstechnische Zusammenwirken der Transportfahrzeuge und der Datenbasis sicher und sorgen für die zielgerichtete Handlung des FTF. Neben Positionsdaten, werden unter anderem Fehlerzustände und Betriebsdaten übermittelt. Die Steuerung und Optimierung aller Auftragseingänge erfolgt durch die Leitsteuerung - einer Kombination aus Hard- und Software. Das Mittel zur Standortbestimmung und Lageerfassung integriert das FTF in die vorhandene Umgebung und verhindert Kollisionen mit anderen Maschinen oder Personen. Eine Ladestation sowie Personal für die Wartungsarbeiten komplettieren das fahrerlose Transportsystem.
Warum fahrerlose Transportsysteme wichtig für die Logistik sind
Der Einsatz eines FTS kann wesentlich zur Prozessoptimierung, Minimierung von Transportschäden und Steigerung der Mitarbeitereffizienz beitragen. Auf vordefinierten Routen im gesamten Logistikumfeld, gesteuert vom individuellen Computerprogramm, kommen sie zum Einsatz. Die intelligente und vorausschauende Fahrweise nimmt Hektik aus dem operativen Alltag. Die Flurförderfahrzeuge versorgen Produktionsanlagen und verbinden Produktions- und Lagerbereiche miteinander. Entsprechend der Komplexität der Güter gibt es heutzutage eine Vielzahl innovativer Lösungen für Groß- und Kleinladungsträger, die individuell und flexibel auch an zukünftige Anforderungen angepasst werden können. So ist eine Erweiterung der Streckenroute oder eine Aufstockung der Fahrzeuganzahl bei steigendem Transportbedarf jederzeit problemlos möglich. Nachträgliche Routenänderungen, z.B. aufgrund einer Erweiterung der Produktions- oder Lagerbereiche, sind durch den Einsatz der leitdrahtlosen Navigation auch ohne Bodenarbeiten realisierbar und können oft durch eigene Mitarbeiter durchgeführt werden. Die Navigations- und Routendaten werden durch einen vorangegangenen Probelauf – beispielsweise abends oder nachts – selbständig durch das fahrerlose Flurförderfahrzeug verarbeitet. Starre Gegenstände, wie z.B. Hochregale werden erkannt und gespeichert, sodass mobile Hindernisse, wie z.B. Mitarbeiter während dem Tagesgeschäft entsprechend erkannt und umfahren werden können, ohne die Route zu verlassen.
Fahrerlose Transportsysteme bei Müller – Die lila Logistik
In der Automobil- und Automobilzulieferindustrie setzt Müller – Die lila Logistik bei der Zusammenarbeit mit seinen Kunden, je nach individueller Anforderung, unterschiedliche Arten von fahrerlosen Transportsystemen ein. Eines davon, das sich bereits seit vielen Jahren bewährt hat, ist das sogenannte Bahnhofssystem. Hierzu werden vom Mitarbeiter beladene FTF an eine entsprechende fest definierte Station gebracht, abgestellt und von dort aus manuell ein Signal an das FTS gesendet. Das FTS registriert das Signal und schickt das FTF über induktive Leitlinien im Boden zum Empfänger. Dieser entnimmt am Zielort die Ware und sendet das leere FTF per Knopfdruck wieder zurück zum Versender. Der Prozess beginnt von neuem. Auf diese Art und Weise ist eine präzise und schnelle Produktionsversorgung gewährleistet. Dabei muss stets auf klare Streckenbilder geachtet werden, damit die Fahrwege nicht blockiert werden und die FTF angehalten werden. „Die Automotive-Industrie“, erklärt Andreas Reinacher, Bereichsleiter Automotive am Standort in Besigheim, „ist digitaler Vorreiter in diesem Bereich und gestaltet die Zukunft des FTS maßgeblich mit. In dieser Branche hat sich das FTS längst bewährt. Speziell in der Produktionslogistik besteht großes Potential zur Effizienzsteigerung. Da wird in der Zukunft sicherlich noch viel passieren“, ist er sich sicher. „Bei der Zusammenarbeit mit dem Kunden hat man sich auch deshalb für die Automatisierung der Produktionsversorgung an die Montagelinie entschieden, da zwischen den Zielorten große Strecken liegen, die ein Mitarbeiter ansonsten unproduktiv zurücklegen müsste“, begründet er die Entscheidung für den Einsatz eines FTS. Dieses durch Automatisierung gewonnene Zeitfenster ermöglicht die Realisierung einer größeren Auftragsmenge.
Fazit
Während die Automatisierung innerbetrieblicher Distributionsprozesse bereits fortgeschritten ist, lässt sich dies von der Produktionslogistik weniger behaupten – in vielen Unternehmen ist sie sogar noch auf dem Stand der 90er Jahre. „Fahrerlose Transportsysteme liegen völlig zu Recht im Automatisierungstrend“, bestätigt auch Andreas Reinacher, gibt aber auch zu bedenken, „dass die Technologie zum Prozess passen muss – nicht umgekehrt. Es gibt kein allgemein gültiges Konzept für Modernisierung.“
Ralf Knaut, Project Manager Special Solutions bei der Linde MH, vertritt als Gastautor im Onlineartikel „Das ändert sich in Zukunft bei Routenzügen“ der Fachzeitung Produktion eine ähnliche Ansicht: „Es wird auch in Zukunft Anwendungen geben, wo Routenzugsysteme mit Fahrer die wirtschaftlichere Lösungen sind, und solche, wo automatisierte Systeme wie FTF, oder Turtles sinnvoller sein werden. Entscheidend sind die Häufigkeit von Lieferungen zwischen Quelle und Senke sowie die zu überbrückende Entfernung“.