Einschätzungen der Logistikweisen zum Einfluss der Entwicklungen in Industrie und Handel auf den Wirtschaftsbereich Logistik in 2020. Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Christian Kille, Autor des Standardwerks "Die Top 100 der Logistik" und Marktexperte für die Bundesvereinigung Logistik (BVL).
Das von den Logistikweisen erwartete Wachstum des Wirtschaftsbereichs Logistik in Höhe von nominal 2,2 Prozent bzw. real 0,4 Prozent (siehe http://www.logistikweisen.de/de/ergebnisse.php) verdeutlicht, dass der Beitrag von Industrie und Handel in Form von zusätzlichen Sendungsmengen, Dienstleistungsaufträgen oder komplexeren Aufgaben gering ausfällt.
Der Grund für die schwache Wirtschaftsleistung: Ganze Industriezweige, insbesondere die Schlüsselindustrien Automobil, Chemie und Maschinenbau, stecken in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess, basierend auf den Potentialen aber auch Risiken, die durch den technologischen Wandel entstehen. Allen voran die Automobilindustrie, einer der tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft, befindet sich mitten in einem Strukturwandel, der nicht nur die Automobilhersteller, sondern auch die zahlreichen Zulieferer betrifft. Hinzu kommt die Last aus der Entwicklung im Welthandel, die das Exportland Deutschland und damit die gesamte Wirtschaft trifft.
Was ist entsprechend für die Logistik 2020 zu erwarten? Die folgende Betrachtung konzentriert sich auf die Entwicklung der Branchen in Deutschland und deren Wirkung auf den Wirtschaftsbereich Logistik (siehe https://www.bvl.de/blog/industrie-handel-und-logistik-2020/). Das Thema Personal in der Logistik wird an dieser Stelle nicht betrachtet, wohl wissend, dass es eine hohe Relevanz für den Wirtschaftsbereich hat.
Es wird erwartet, dass es keine großartigen Einbrüche geben wird, aber auch keine Erholung auf höhere Produktionszahlen. Als Grund wird vor allem die schwache Weltkonjunktur angeführt. Dass wiederum die Zulieferer Entlassungen ankündigen, hat nicht nur mit der erwarteten konjunkturellen Entwicklung zu tun, sondern auch mit bereits angestoßenen Umstrukturierungen. All diese Punkte deuten auf einen grundsätzlichen Strukturwandel der Branche hin, der den Automobilstandort Deutschland und die damit zusammenhängende Logistik unzweifelhaft nachhaltig tangieren wird. In 2020 wird dies noch nicht zu spüren sein, aber die ersten Anzeichen sind erkennbar.
Für die Chemie ist in 2020 kein Ende der Schwächephase in Sicht. Zwar hatte dieser Industriezweig keine „hausgemachte“ Krise und auch keinen bevorstehenden Strukturwandel wie die Automobilindustrie zu stemmen, allerdings unterliegt auch sie einer verlangsamten Grunddynamik und bewegt sich mit der allgemeinen Konjunktur. Diese sieht für Deutschland zwar eine leichte Erholung gegenüber 2019, jedoch weltweit vielmehr einen Dämpfer der Nachfrage vor.
Die Auftragseingänge im Maschinen- und Anlagenbau haben deutlich abgenommen. In den ersten zehn Monaten vermeldeten die Unternehmen laut dem VDMA einen Orderrückgang von 9 Prozent im Vorjahresvergleich. Dies weist auf eine schwierige Zeit in 2020 hin, da im Maschinenbau viele Aufträge erst Monate später bearbeitet bzw. ausgeliefert werden.