Mit rund 1.000 angemeldeten Teilnehmern hat am 9. und 10. Februar das Forum Automobillogistik coronabedingt digital stattgefunden. Das zweitägige Forum ist europaweit das größte Branchentreffen der Automobillogistik. Die beiden Veranstalter, der Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) und die Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V., bieten mit dieser Plattform einen idealen Treffpunkt, um Know-How und Ideen über Funktions- und Unternehmensgrenzen hinweg auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.
Unter dem Leitgedanken „Supply Chains im Spannungsfeld – regional, nachhaltig, zollfrei?“ ging es um konkrete Ansätze, internationale Supply Chains so aufzustellen, dass sie auch angesichts technologischen Wandels, Handelskonflikten, Klimawandel oder Pandemien zuverlässig und erfolgreich funktionieren. Dazu zählen Vernetzung und Transparenz, neue Möglichkeiten der Planung, etwa mithilfe künstlicher Intelligenz, alternative Antriebe wie die Brennstoffzelle, oder der Einsatz von Automatisierung und autonomen Fahrzeugen in der Inhouse-Logistik. Dr.-Ing. Joachim Damasky (VDA) und der BVL-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer führten durch das Programm.
Der BVL-Vorstandsvorsitzende Prof. Thomas Wimmer betonte: „Viele große Themen scheinen hinter der Pandemie kleiner geworden zu sein – das sind sie aber nicht. Strukturelle Herausforderungen der Wirtschaft, Ressourcenknappheit, nationale Egoismen, Klimawandel, Verkehrswende, digitale Transformation – sie alle sind noch da und relevanter denn je. Es gilt jetzt, diese Herausforderungen anzunehmen und die Chancen der Krise zu nutzen.“
Die Keynotes im Eröffnungsplenum hielten Gerd Walker, Leiter Produktion und Logistik im Volkswagen Konzern, und John Sobeck, ZF Friedrichshafen AG. Internationale Lieferketten im Spannungsfeld von Handelskonflikten und Pandemie standen im Fokus der Plenumssequenz. Nach einem Impulsvortrag darüber, wie die Erholung von der Krise und der Strukturwandel wirtschaftlich gelingen können, diskutierte DIW-Präsident Prof. Marcel Fratzscher mit Andrea Eck, BLG Logistics Group AG & Co.KG, Jürgen Eder, BMW AG, und Dr. Arne Flemming, Robert Bosch GmbH.
Die Krise bewältigen und den Strukturwandel gestalten, dazu gehören die großen Themenfelder Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. „Für die langfristige Transformation brauchen wir eine massive Investitionsinitiative, sowohl im privatwirtschaftlichen als auch im öffentlichen Bereich“, sagte Prof. Marcel Fratzscher. Die Rolle Europas müsse gestärkt werden, um im globalen Systemwettbewerb mit China und den USA zu bestehen. „Vielmehr gehe es darum, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen“, ergänzte Fratzscher.
Für Jürgen Eder war es wichtig zu unterstreichen, dass die Digitalisierung weiter voranzutreiben ist, um die Transparenz entlang der Lieferkette weiter zu erhöhen. Das Ziel müsse sein, in den globalen Netzen schnell und flexibel reagieren zu können. „Daten müssen in Echtzeit getauscht werden, um sich an kurzzyklischen Änderungen auszurichten“, ergänzte Arne Flemming zu diesem Thema.
Ein weiterer Ansatz, Risiken zu minimieren, ist die Regionalisierung von Lieferketten und des Fahrzeugbaus – auch vor dem Hintergrund der politischen Klimazielen –, der laut Gerd Walker von VW bei Volkswagen verfolgt wird. Eine verstärkt regionale Beschaffung hätte allerdings eine komplette Neuausrichtung der Organisation und Prozesse der Organisation zur Folge. „Aber ich denke, da müssen wir ran“, betonte Walker. VW setzt bei der Reduktion der Emissionen auf die Digitalisierung und die IT für eine bessere Steuerung, auf eine bessere Auslastung von Fahrzeugen und Transportmittel, auf neue Antriebstechniken sowie auf das Verlagern auf ökologische Transportmittel wie die Bahn.
Zudem standen Fachsequenzen mit Best-Practice-Beispielen und Erfahrungsberichten auf dem Programm. Unter dem Titel „Brennstoffzelle – Zukunft der Logistik?“ und „Supply Chain Complexitiy – Vernetzung als Kompass durch die Krise“ berichteten Experten von Bosch, BMW oder Mercedes-Benz Fuel Cell aus der unternehmerischen Praxis. Jeweils im Anschluss stellen sich die Referenten den Fragen der Teilnehmer.
Am Dienstagnachmittag (09.02.) wurde der renommierte VDA Logistik Award vergeben. Mit dem Award werden herausragende Logistikleistungen und besondere Innovationen in den Logistikprozessen von Unternehmen der Automobilindustrie und ihrer Partner ausgezeichnet. Der VDA Logistik Award hat dieses Jahr zwei Gewinner: Die Volkswagen Konzernlogistik wurde für ihr Krisenmanagement-Tool ausgezeichnet, BMW erhielt den Preis für seine Pickplattform.
Der zweite Forumstag (10.02.) startete mit Keynotes von Simon Motter, Leiter Volkswagen-Konzernlogistik, und von Prof. Thomas Wimmer, BVL, zur Bedeutung neuer, digitaler Technologien für eine erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung der Automobilindustrie. Darauf folgten drei weitere Fachsequenzen mit Vorträgen und Diskussionen zu „Smart Planning und AI-Bedarfsplanungsverfahren in der Transformation der Lieferkette im Aftermarket“, „Automatisierte Inhouse-Logistik – auf der Überholspur in Richtung Industrie 4.0“ und „Zukunft der Datenkommunikation“.
Den Abschluss des Forums bildete ein Gespräch zwischen Simone Menne, Mitglied in mehreren Aufsichtsräten sowie Galeristin, und Christoph Meyer, Leiter Forschung und Veranstaltungen in der BVL-Geschäftsstelle, über die Zukunftsperspektiven der globalen Wirtschaft. Dabei betonte Frau Menne, dass sie die öffentliche Meinung am Anfang der Pandemie, „alles nur noch regional zu machen“, nicht teile. Vielmehr müsse es jetzt gelingen, smart und resilient global vernetzt zu bleiben und verwies in diesem Kontext auf die wesentliche Rolle der Logistik und die Neuerfindung der Mobilität.
„Das Programm des Forums zeigte, dass wir trotz der Belastungen durch Corona an der Zukunft arbeiten. Digitalisierung ist für unsere Mitgliedsunternehmen wichtiger denn je: Mehr Transparenz in den Lieferketten, stärkere Vernetzung von Herstellern und Lieferanten, ortsunabhängige Steuerung betrieblicher Prozesse – all das wird die Zukunft unserer Industrie prägen“, betonte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Sie wies zudem darauf hin, dass die Branche sich dem Klimaschutz verpflichtet fühle und daher intensiv daran arbeitet, den „CO2-Fußabdruck in der Lieferkette“ zu verringern.