Tagtäglich erleben wir während der Corona-Pandemie, wie systemrelevant die Logistik für unseren Alltag ist. Ohne eine funktionierende Logistik würden wir im Supermarkt vor leeren Regalen stehen. Sogar unsere Sendungen erhalten wir dank kontaktlosen Lieferungen nach wie vor bis nach Hause. Die Logistik gewährleistet, dass wir auf kaum etwas verzichten müssen. Aber selbst dieser Wirtschaftsbereich stößt ganz allmählich an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Zu groß ist seine Abhängigkeit von einer funktionierenden Gesamtwirtschaft sowie den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Politik.
Deswegen stellen die Logistikweisen, eine Gruppierung renommierter Experten aus den unterschiedlichsten Branchen und Bereichen, zu der auch Michael Müller, CEO der Müller - Die lila Logistik AG, angehört, im Rahmen der Initiative "Gipfel der Logistikweisen" in einem offenen Brief an Bundesregierung und Entscheider aus Politik & Wirtschaft drei Forderungen auf. Die darin beschriebenen Maßnahmen sollen weitere massive wirtschaftliche Schäden durch die Corona-Krise verhindern.
Wir fassen das Wesentliche für Sie zusammen:
1. Zum Schutz der Gesundheit der Menschen bei ihrer täglichen Arbeit werden spezifische Vorgaben und Regelungen für Arbeitsschutz und Sicherheit benötigt. Die Bundesregierung soll neben der Festlegung einheitlicher Gesundheitsschutzmaßnahmen auch deren Umsetzung monetär unterstützen.
2. Die Logistikbranche besteht in großen Teilen aus kleinen und mittelständischen Unternehmen. Zur Wahrung der Existenz sollte die Politik finanz- und sozialpolitische Konzepte wie die negative Gewinnsteuer nutzen, um den laufenden Liquiditätsengpass zu überbrücken
3. Die Logistikweisen sind sich sicher, dass der Wirtschaftsbereich Logistik einen erheblicheren Schaden als die Gesamtwirtschaft davontragen wird. Vor diesem Hintergrund erwarten die Logistikweisen einen offenen Diskurs, Ausstiegsszenarien sowie einen klaren Plan, der schrittweise eine Lockerung der Maßnahmen vorsieht, sodass die Wirtschaft wieder hochgefahren werden kann.
"Ohne eine funktionierende Logistik wird es keine leistungsfähige Wirtschaft, keine Versorgung der Privathaushalte mit den Waren des täglichen Lebens und auch keine zeitnahe Verteilung wichtiger Güter im medizinischen Bereich geben. Umgekehrt sind die Unternehmen in der Logistik und ihr Überleben direkt von einer funktionierenden Gesamtwirtschaft abhängig."
- Logistikweisen
Liebe Mitglieder der Bundesregierung,
sehr geehrte Entscheiderinnen und Entscheider in Politik und Wirtschaft,
im Jahr 2014 hat sich ein Expertenkreis bestehend aus renommierten und erfahrenen Vertretern der Praxis und Wissenschaft in einer „Initiative zur Prognose der Entwicklung der Logistik in Deutschland“, die Logistikweisen, zusammengefunden. Wir verstehen uns als eine Gruppierung von 32 Entscheidungsträgern, welche die gesamte Breite der Logistik abdecken und deren Lage bewerten können. In zwei jährlichen Runden erarbeiten wir Prognosen für den Wirtschaftsbereich Logistik und fassen die Erkenntnisse in einem Jahresgutachten zusammen. Dieses Gutachten wird zu Anfang des jeweiligen Jahres an den Schirmherrn der Initiative, den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, übergeben. Unsere Intention war seit Beginn an neutral, praxisorientiert und wissenschaftlich fundiert einen Einblick in den Wirtschaftsbereich Logistik, dessen
Unternehmen und Entwicklung zu geben.
In einer Zeit, in der das Coronavirus die Ursache für eine globale Krise mit unabsehbaren Folgen für Mensch, Gesellschaft und Wirtschaft ist, sind unsere Gedanken bei den Betroffenen. Der Schutz von Leben und Gesundheit generell und insbesondere bei besonders gefährdeten Gruppen muss oberste Priorität genießen. Das halten wir unmissverständlich fest.
Aktuell wird es für die breite Bevölkerung unmittelbar erlebbar, dass die Logistik eine systemrelevante Querschnittsfunktion ist und das Rückgrat der Wirtschaft bildet. Ohne eine funktionierende Logistik wird es keine leistungsfähige Wirtschaft, keine Versorgung der Privathaushalte mit den Waren des täglichen Lebens und auch keine zeitnahe Verteilung wichtiger Güter im medizinischen Bereich geben. Umgekehrt sind die Unternehmen in der Logistik und ihr Überleben direkt von einer funktionierenden Gesamtwirtschaft abhängig.
In den aktuellen Krisenzeiten zeigt die Logistik ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft auch unter widrigen Umständen und hohen Risiken besonders eindrucksvoll. Diese Herausforderungen nehmen wir als Akteure im Wirtschaftsbereich Logistik an.
Damit dies auch nachhaltig funktioniert, sind die richtigen Rahmenbedingungen entscheidend. Wir ersuchen die Politik, diese sowohl zum Schutz der Beschäftigten als auch zum Erhalt des Wirtschaftsbereichs Logistik situationsgerecht und mit der gebotenen Dringlichkeit weiterzuentwickeln.
Zu den wichtigen Maßnahmen der Regierung und speziell des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI sind aus unserer Sicht unbedingt weitere Schritte notwendig. Wir empfehlen hierbei einen Blick aus der Praxis, der sich auch aus dem Austausch mit unserem Expertenkreis ergeben kann.
Wir haben die große Sorge, dass es ohne eine sofortige Planung für einen Ausstieg aus den restriktiven Maßnahmen sowie für das Hochfahren der Wirtschaft zu irreparablen Schäden für die Logistikwirtschaft und auch für die Gesamtwirtschaft kommt.
An erster Stelle gilt es die Gesundheit der Menschen bei ihrer täglichen Arbeit sicherzustellen. Dazu gehören spezifische Regelungen für jeden Wirtschaftsbereich im Hinblick auf Arbeitsschutz und Sicherheitsmaßnahmen ebenso wie notwendige Investitionen in Ausrüstung für wirksame Schutz- und Testmaßnahmen.
Wir fordern die Politik dazu auf, dass
Unsere Erfahrungen in der Logistik zeigen, dass in einer heterogenen Welt nicht jedes Werkzeug überall die gleiche Wirkung zeigt, aber auch dass in Personen- und Güterbewegungen neuralgische Punkte existieren, die eines besonderen Blickes bedürfen und großen Einfluss haben.
Wir sind der Überzeugung, dass derartige Investitionen in wirksame Schutz- und Testmaßnahmen mindestens genauso wichtig sind wie Darlehen für die Wirtschaft, die möglicherweise doch viel zu spät ankommen und bei längerem Stillstand auch nicht mehr ausreichend sein werden.
Zweitens sehen wir die dringende Notwendigkeit für eine Nachjustierung bei den Finanzhilfen, die prinzipiell schon eine positive Wirkung zeigen. Unsere große Sorge liegt darin begründet, dass bürokratische Hürden und zeitlicher Verzug in der Umsetzung der bisher entschiedenen Hilfsmaßnahmen massiv unterschätzt werden. Die Antragsflut führt unweigerlich zu Bearbeitungszeiten von mehreren Wochen, die viele der Unternehmen in der Logistik wirtschaftlich nicht mehr durchhalten werden.
Es ist zu berücksichtigen, dass der Wirtschaftsbereich Logistik wesentlich durch kleine und mittelständische Transportunternehmen geprägt ist. Der hohe Wettbewerbsdruck mit damit verbundenen geringen Margen bedingt häufig eine sehr niedrige Kapitalisierung. Diese Unternehmen benötigen zusätzliche Liquidität nicht innerhalb von einigen Wochen, sondern vielmehr innerhalb weniger Tage. Auch haben die Unternehmen oftmals nicht die Ressourcen, Kompetenzen und erforderlichen Sicherheiten, die KfW-Programme in Anspruch zu nehmen. Dies gefährdet die Überlebensfähigkeit nicht nur dieser Unternehmen, sondern durch den Querschnittscharakter auch die Wettbewerbsfähigkeit anderer
Wirtschaftszweige.
Wir fordern deshalb die Politik auf,
Drittens ist so schnell wie möglich zu erarbeiten und zu kommunizieren, welche nachvollziehbaren Bedingungen und verständlichen Parameter für die Lockerung der Beschränkungen in Verbindung mit neuen Sicherheitsstandards für das schrittweise Hochfahren der Wirtschaft angewendet werden müssen. Diese sind im Einklang mit einer kontrollierbaren Belastung des Gesundheits- und des Logistiksystems festzulegen.
Der aktuelle Stillstand lässt sich nur für wenige Wochen durchhalten, ohne dass erhebliche Langfristschäden sowohl in der Gesellschaft und im gesamten Wirtschaftssystem, als auch insbesondere in der Logistik unvermeidbar werden. Bei der Forderung nach Anpassung der Maßnahmen sind wir uns sehr wohl der Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems und der ethischen Fragen im Hinblick auf höhere Risiken für bestimmte Risikogruppen bewusst.
Gerade weil sehr kurzfristig schwierige Abwägungen und Entscheidungen zu treffen sind, fordern wir die Politik auf, dass
Eine solche Bewertung kann aus unserer Sicht nur durch neutrale Experten aus Praxis und Wissenschaft erfolgen, die das übergeordnete Ziel des Wiederanlaufs des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens im Fokus haben. Aus diesem Grund möchten wir gerne unser Angebot eines direkten Austauschs mit uns als betroffene Unternehmer und Unternehmenslenker sowie Wissenschaftler aus allen Bereichen der Logistik wiederholen, um sich konstruktiv darüber auszutauschen, wie die Logistik und die Politik ihren Beitrag leisten kann, dass Deutschland durch und sicher aus der Krise kommt.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Andreas Backhaus, Berit Börke, Dr. Andreas Froschmayer, Dr. Christian Grotemeier, Gerd Hailfinger, Frauke Heistermann, Dr. Christian Jacobi, Prof. Dr. Christian Kille, Matthias Klug, Wolfgang Lehmacher, Eric Malitzke, Markus Meißner, Michael Müller, Dr. Alexander Nehm, Anita Pieper, Klemens Rethmann, Andreas Reutter, Dr. Torsten Rudolph, Prof. Dr. Thorsten Schmidt, Marc Schmitt, Arnold Schroven, Dr. Stefan Schwinning, Harald Seifert, Lars Siebel, Prof. Dr. Wolfgang Stölzle, Jens Wagener, Dr. Steffen Wagner, Kerstin Wendt-Heinrich, Patrick Wiedemann, Prof. Dr. Peer Witten